Liegeräder sind etwas besonderes. Leider. Denn man sieht sie (zumindest hier in Österreich) nicht allzu oft im Alltag. Genauergesagt fast gar nicht. Das finde ich sehr schade.
Liegeräder sind alt. Sehr alt. Die Bauform wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt – also vor ca. 120 Jahren! Leider haben sie sich nicht wirklich durchgesetzt, sondern werden großteils von Liebhabern mit einem gewissen Hang zu Narzissmus, Individualität und vor allem Komfort gefahren. Also von jemandem wie mir.
Ich habe das erste Mal überhaupt 2001 ein Liegerad gesehen und bin das erste Mal 2009 auf einem Lieger gesessen/gelegen und ab da war es endgültig um mich geschehen. So ein Ding musste her!
Seitdem hat sich einiges getan, die anfängliche HP Velotech Streetmachine GTe habe ich wieder verkauft, zwischenzeitlich hatte ich ein Velomobil (WAW) und aktuell fahre ich hin und wieder mit dem ZZ Horizont Fast. Das HP Velotech Spirit und das Flevobike/trike stehen großteils ungenutzt in der Garage, weil ich einfach nicht dazu komme mit denen auch noch zu fahren. Denn leider bin ich mittlerweile wieder großteils „konventionell“ unterwegs.
Kein Liegerad
Das hat mehrere Gründe:
Beim Triathlon sind sie einfach nicht erlaubt. 🙁 In den Sportordnungen sowohl vom deutschen als auch vom österreichischen Triathlonverband sind sie dezidiert ausgenommen und auch auf meine Anfragen an verschiedene Veranstalter hin war da leider nichts zu erwirken. Seltsamerweise habe ich aber am Tag vor dem Ironman 70.3 Zell/See (Agegrouper-Rennen) jemandem auf einem Liegerad zur Wechselzone fahren sehen. Leider habe ich die Startnummer anscheinend nicht richtig gesehen, denn auf den Finisher Bildern war dann nur ein normales Rad zu erkennen 🙁
Da ich ein kleiner Ehrgeizler bin möchte ich natürlich bei den Trias möglichst gut abschneiden. Deswegen nutze ich beim täglichen bike2work immer mein normales Aufrechtrad, da die Sitzposition dabei ähnlicher dem Zeitfahrrad ist als bei der Liege und vor allem ähnliche Muskelgruppen angesprochen und somit trainiert werden. Denn beim Fahren mit einem Rennrad und dem Fahren mit einem Liegerad benötigt man unterschiedliche Muskelgruppen. Dh wenn ich ausschließlich Liegerad fahre kann ich dann auf meiner TT-Olympe nie die selbe Leistung bringen wie auf dem Lieger.
Abgesehen davon würde ich jetzt im Winter auch sonst nur aufrecht fahren – einfach aus dem Grund weil ich die tollen Liegen nicht verschleißen und/oder mit Streusalz einsauen möchte, sie mir also dafür zu schade sind. Außerdem habe ich nur am Up die Spikes aufgezogen. Und ja – hier ist ein kleiner Nachteil bei den Liegen – bei glatten Verhältnissen ist es besser mit einem Aufrechtrad unterwegs zu sein, da das Ausbalancieren etwas leichter fällt und man somit einen möglichen Sturz besser abfangen kann (für euch getestet). Dafür würde man allerdings bei einem Liegerad nicht so hoch fallen.
Es ist einfach genial
Doch im Grunde würde ich am liebsten nur Liegerad fahren. Warum?
Die Entspanntheit beim Fahren ist einfach überwältigend. Ohne Liegerad würde ich sicher keinen Triathlon machen, denn ohne hätte ich nie angefangen mal länger als 20km irgendwohin schnell mal auszufahren. Geschweige denn an Brevets von 200 oder 300km teilgenommen. Noch auf die Idee gekommen über den Tag mal 300km nach Wien zu fahren. Die Schmerz-Abneigung war da vorher trotz einiger jugendlicher Radtouren-Ausreißer meistens zu hoch.
Auf dem Liegerad fährt man einfach mal so 70km in die Arbeit und fühlt dann was genau? Nix. Ok, ein gaaanz leichtes Ziehen in den Oberschenkeln hatte ich als nahezu Untrainierter. Aber sonst nix. Wenn ich das mit einem normalen Rad probiert hätte (vor allem in meinem damaligen Trainingszustand) weiß ich nicht was mir am meisten weh getan hätte: das Gesäss, der Nacken, die Handgelenke,… bzw. ob ich überhaupt angekommen wäre.
Vor allem macht es dabei einfach Spaß! Gerade auf Touren kann man durch die entspanntere Kopfhaltung den Blick schweifen lassen und auch mal abseits der Straße vor einem etwas erkennen (wenn man mit einer sportlichen Radfahrhaltung vergleicht). Gleichzeitig rauscht man mit einer höheren Geschwindigkeit dahin als mit einem vergleichbaren Aufrechtrad. Nicht umsonst sind die absoluten Geschwindigkeitsweltrekorde alle mit Liegerädern aufgestellt worden! ZB der Stundenweltrekord:
offizieller Stundenweltrekord | Bradley Wiggins | 54,526km |
Weltbestleistung | Chris Boardman | 56,375km |
Rekord Liegerad unverkleidet | Aurélien Bonneteau | 56,597km |
Rekord Liegerad vollverkleidet | Francesco Russo | 91,556km |
Natürlich ist ein Liegerad jetzt nicht das einzige Wunderding und es gibt genügend Situationen wo das Aufrechtrad sinnvoller einzusetzen ist. Aber warum darf man dann immer nur 1 Rad besitzen? Die (n+1)-Regel gilt ja auch hier. 😉
Ich will also endlich wieder Liegerad fahren! Und gleichzeitig auch noch mit dem Zeitfahrrad für die Triathlons! Doch wer bezahlt mir was dafür statt meiner herkömmlichen Arbeit?